Archiv Dezember 2021


gesammelte Beiträge von Dezember aus Corona-Zeiten 2021:


2. Advent
3. Advent
4. Advent
Heiliger Abend
1. Weihnachtstag
2. Weihnachtstag
Silvester


2. Advent

Den Gottesdienst hält Pfarrer Wolf-Dieter Weber. Die Predigt steht uns nicht zur Veröffentlichung zur Verfügung.
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3. Advent

Den Gottesdienst hält Pfarrer Rolf Weiß.
Der Predigttext steht im 1. Korinther-Brief, Kapitel 4, die Verse 1-5:

1 Dafür halte uns jedermann: für Diener Christi und Haushalter über Gottes Geheimnisse.
2 Nun fordert man nicht mehr von den Haushaltern, als dass sie für treu befunden werden.
3 Mir aber ist’s ein Geringes, dass ich von euch gerichtet werde oder von einem menschlichen Gericht; auch richte ich mich selbst nicht.
4 Ich bin mir zwar keiner Schuld bewusst, aber darin bin ich nicht gerechtfertigt; der Herr ist’s aber, der mich richtet.
5 Darum richtet nicht vor der Zeit, bis der Herr kommt, der auch ans Licht bringen wird, was im Finstern verborgen ist, und das Trachten der Herzen offenbar machen wird. Dann wird auch einem jeden von Gott Lob zuteilwerden.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Gemeinde,

jedes Jahr im Advent erinnern wir uns daran, dass Gott in JX schon einmal „das Licht der Welt erblickte“, ja mehr noch: Er war es selbst, das Licht der Welt. Mit Fasten und Beten drücken wir in dieser Zeit aus, wie traurig wir darüber sind, dass er wieder von uns gegangen ist. Adventszeit ist schließlich Bußzeit.
Mit den Kerzen zeigen wir aber zugleich an: Je mehr wir auf Ihn zugehen, desto heller wird es in unserem Leben und in der Welt. Bis sie schließlich durch seine Geburt vollkommen hell und freudig erstrahlt. Adventszeit ist Zeit der freudigen Erwartung.

Der Advent unterscheidet sich damit von der bürgerlichen Jahreseinteilung ganz bewusst. Bevor das Neue kommt, ist eine Zeit der Besinnung, der Ruhe, des Nachdenkens und der bewussten Umkehr vorgeschaltet. Das Neue wird dann nicht gleich mit lautem Trara und Böllern begrüßt. Das Neue fängt nach der besinnlichen Ruhe mit dem Schrei eines Neugeborenen an. Und mit dem Staunen. Denn noch weiß niemand, wie sich das Kind entwickeln wird. Auch das blieb zunächst Gottes Geheimnis.

Ein Kind, ein Schrei und staunende Menschen. Das war der Grundstock zu einer weltweiten Revolution. Aber das Neue ist noch nicht vollendet. Das, was an Weihnachten begann, ist noch nicht völlig am Ziel. Es ist noch nicht fertig. Entwicklungen sind noch möglich. Aber nicht in jede beliebige Richtung. Denn diese ist klar vorgegeben. Sie verweist uns auf und zu Gott hin.
Damit wir diese Richtung nicht aus dem Auge verlieren, darum gibt es immer wieder Menschen, die uns darauf hinweisen. Das sind die Diener Christi, Gottes Haushalter, von denen Paulus spricht. Er stellt sich der Gemeinde selbst als einen solchen vor. Aber er weiß nur zu gut, dass er nicht der Einzige ist, der von Gott und seiner Liebe kündet.

Die Verkündigung von Gottes Wort ist nicht an eine bestimmte Person gebunden. Schon gar nicht an ein bestimmtes Amt. Wer von Gott und JX predigt, ist einzig und allein an dem zu messen, was er von seinen Auftraggebern sagt und weitervermittelt. Wie geht er mit dem um, was ihm anvertraut ist?!

Darin allerdings soll er ganz aufrichtig sein. Und geradlinig. Getreu dem Wort und der Botschaft, die ihm anvertraut sind.

Es bedarf immer wieder der Haushalter Gottes, seiner Diener, die von ihm erzählen, die uns wie Hinweisschilder aufmerksam machen, die u. U. auch unsere Richtung korrigieren, wenn wir mal den falschen Weg eingeschlagen haben.

Wenn die Richtung stimmt, dann braucht sich der Haushalter nicht davor zu fürchten, mit anderen verglichen und bewertet zu werden. Denn letztlich wird es nur einen geben, der darüber befinden kann, ob wir die Botschaft richtig weitergesagt haben. Nur einer wird es sein, der darüber entscheidet, wer gut gehaushaltet hat, wer aufrichtig gedient hat: JX als Herr der Welt – am Ende der Tage.

Es ist gar nicht so ohne weiteres glaubhaft, dass Paulus so wenig auf das Urteil der anderen Menschen gibt. Gerade die Kapitel vor dem heutigen Predigttext sind eigentlich voll von Belegen für das Gegenteil!

Genauso gut kenne auch ich Menschen, die anderer Meinung sind als ich.
Immer wieder gibt es durchaus auch Menschen, auf die wir angewiesen sind.
Welche, mit denen wir zusammen arbeiten müssen, ob wir wollen oder nicht.
Welche, die uns vorgesetzt sind.
Welche, die wir gar nicht kennen, aber sie verwickeln uns in ein Gespräch, das uns eher Unbehagen verursacht.

Aber um diese menschlichen, um diese psychologischen Kategorien geht es Paulus nicht. Es ist für seine Denkweise eher bezeichnend, dass er der konkreten menschlichen Frage nach der Konkurrenz der Prediger untereinander einen einzigen Vers widmet. Dann holt er aber mit vier Versen aus, um die Einzelfrage in den größeren Zusammenhang der gesamten Christusbotschaft zu stellen:

Christus spricht über uns das letzte Wort – das der Kritik und das des Gerichts. Aber er spricht auch das des Lobes. Beides zusammen macht das aus, was wir „Rechtfertigung“ nennen.

Einen Haushalter zeichnet es gerade aus, dass er die Verantwortung wahrnimmt, die ihm übertragen wurde. Er tänzelt nicht leichtfertig dahin, womöglich noch mit dem falschen Schuhwerk. Sondern er hat sich mit Landkarte und Regenjacke ausstaffiert. Das Vesperbrot und die Wasserflasche gehören zur Grundausstattung, eine Mullbinde und Pflaster schaden nicht.

Mit anderen zusammen hat er sich auf den Weg gemacht. Und sie freuen sich schon miteinander darauf, dass ihnen zu guter Letzt entgegengerufen wird: ‘Gut, dass ihr euch auf den Weg gemacht habt. Schön, dass ihr jetzt da seid. Ich freue mich über euch.’

Amen.
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4. Advent

Den Gottesdienst hält Pfarrer Rolf Weiß.
Der Predigttext steht im Lukas-Evangelium, Kapitel 1, die Verse 26-33:

26 Und im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott gesandt in eine Stadt in Galiläa, die heißt Nazareth,
27 zu einer Jungfrau, die vertraut war einem Mann mit Namen Josef vom Hause David; und die Jungfrau hieß Maria.
28 Und der Engel kam zu ihr hinein und sprach: Sei gegrüßt, du Begnadete! Der Herr ist mit dir!
29 Sie aber erschrak über die Rede und dachte: Welch ein Gruß ist das?
30 Und der Engel sprach zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria! Du hast Gnade bei Gott gefunden.
31 Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben.
32 Der wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben,
33 und er wird König sein über das Haus Jakob in Ewigkeit, und sein Reich wird kein Ende haben.

Einmal noch, liebe Gemeinde,

einmal noch einmal im Advent wird uns entfaltet, worum sich diese ganze Zeit rankte. Nämlich heute. Es geht: Ums Warten. Ums Erwarten genau gesagt. Vom Erwarten singen die alten Adventslieder. Vor Erwartung beben die großen Adventstexte der Bibel.
Heute nun malt uns Lukas das klassische Erwartungsbild der Christenheit vor Augen: Die Ankündigung an Maria. Oder hat sie etwa gar nicht gewartet? Trotzdem haben wir mit dem Magnificat, EG 777 und in der Lesung des Predigttextes schon eingestimmt in das Lob, das daraus folgt.

Tausendfach ist dieses Bild von Malern gemalt worden, Dichter und Komponisten stimmten ein, und doch ist und bleibt es unausschöpflich.

Ich will für uns heue sagen:
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Erwartung ist ein Lebensquell aus geheimnisvoller Tiefe.
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Wer Erwartung hat – sie mag zaghaft sein, schüchtern und versteckt –
wer sich überhaupt zu erwarten getraut, ist lebendig.
Was wir heute betrachten, ist sozusagen ein Urbild der Lebendigkeit.

Dabei wird unsere Erwartungsfähigkeit schon im ersten Satz auf die Probe gestellt.
Denn sobald der Engel Gabriel genannt ist, erwartet man als nächstes Marias Namen.
So kenne ich es wenigstens von Theaterprogrammen her: Da stehen die Hauptrollen beieinander obenan, die Nebenrollen darunter. Aber hier?

Maria« wird lange Zeit gar nicht genannt, statt dessen lauter andere Namen, mit denen erst einmal andere Bilder und Geschichten aufleuchten, auch wenn nicht alle von Ihnen, liebe Gemeinde, damit die gleichen Assoziationen verbinden:

Galiläa (der belächelte, unterentwickelte Norden Israels, das Ostfriesland in Israel?),
Nazareth (zur damaligen Zeit nur von geringer Bedeutung wie Diedelsheim oder Dürrenbüchig zur Zeit der Reformation?),

Josef (bekannt als ältliche, müde wirkende Männergestalt vieler Krippenspiele),
König David (Held großer Taten und großer Schandtaten und vieler Phantasien, eine Mischung aus Al Capone und Frère Roger?),

Gerade diese illustren Namen zeigen uns: Schon die Vorgeschichte von Jesu Geburt beginnt nicht irgendwo im luftleeren Raum bei Null, sondern inmitten der menschlichen Geschichte, verwickelt in menschliche Geschichten.

Diese Verwicklung reicht ja sogar noch weiter: Von einem »sechsten Monat« ist die Rede, und gemeint ist der sechste Schwangerschaftsmonat der greisen Elisabeth, einer Bekannten oder weitläufigen Verwandten der Maria.

Die Verzahnung der beiden Schwangerschaften ist keine Äußerlichkeit.
Der Engel beruft sich später sogar ausdrücklich darauf, um Maria von der Glaubwürdigkeit seiner Mission zu überzeugen: »Schau auf Elisabeth, Maria, die ist schon im sechsten Monat schwanger, obwohl sie eigentlich viel zu alt dafür ist. Nimm das als vertrauensbildendes Zeichen. Lass dich dadurch ermutigen. Lass dich auf Elisabeths erstaunliche Geschichte ein, um selbst noch viel Erstaunlicheres zu erwarten.«

Enorm verwickelt, diese Erwartungsgeschichte! Doch »Erwartungen haben« heißt wohl »Sich- Verwickeln- Lassen«?!

An solchen Traditionen knüpft Gabriel an. Der Engel erinnert Maria an Israels heilige Tradition, von Gott einen Messias-König zu erwarten. Er verwickelt sie in uralte Erwartungen vieler Generationen vor ihr. Vom »Thron Davids« redet er, vom »Hause Jakobs«, von einer Königsherrschaft ohne Ende.

Warum so ausführlich, Gabriel, warum so weitschweifig?

Weil hier das Herz der Szene schlägt!

»Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir«.

»Was soll das?«, fragt sie sich, »so viel, so plötzlich? Was will er damit?« Wer mit Komplimenten ins Haus fällt, macht sich verdächtig. Niemand garantiert Maria, dass sie nicht einem bösen Streich aufsitzt.

Maria wäre ja töricht, wenn sie nicht erschrecken würde.

Maria erschrickt – und hält ihren Schrecken aus! Beides gehört offenbar zur Schule des Erwartens dazu.
Maria hätte guten Grund, sich schockiert zurückzuziehen. Wunderbarerweise aber bleibt sie »dran«, bleibt im Gespräch mit dem Engel, bleibt offen, und bleibt schließlich zurück »in froher Erwartung«.

Worauf hofft sie konkret ?

Hier kommt nun Israels Erwartungs-Tradition ins Spiel.
Was Maria in ihrem Bauch empfangen wird, was sie, was Israel von diesem Kind zu erwarten hat, das kann der Engel nur andeuten mit Erwartungsbildern aus alter Zeit.

[Jesus / Immanuel,
Sohn Gottes / Knecht Gottes
Davids-Sohn
Ewig-Herrscher über das Haus Israel]

»Mir geschehe nach deinem Wort«, lautet Marias letzte Bemerkung in der Szene. Das ist der höchste und intensivste Ausdruck ihres Erwartens: »Mir geschehe …«. Damit öffnet sie sich völlig. Damit hält sie sich ganz hin.

»Mir geschehe, wie du gesagt hast« – viele Ausleger behaupten, Maria habe damit »eingewilligt«. Das stimmt – und ist doch auch zu wenig.

Zum »Einwilligen« hätte genügt, wenn sie gesagt hätte: »Ich bin bereit und mache mit.« Schon das wäre groß gewesen.

»Mir geschehe nach deinem Wort« ist dagegen ein Bekenntnis zu mehr als zu eigener Aktion:

Was »mir geschieht«, ist immer mehr, als was ich selbst mache. Was mir geschieht, ist größer als mein Wollen, Planen und Pflichterfüllen.
Was mir geschieht, ist mir meistens erst einmal fremd.

»Mir geschehe nach deinem Wort« – das ist ein Bekenntnis zu der Hoffnung, dass es etwas für mich zu erwarten gibt, und zwar etwas Fremdes, was sich nicht deckt mit meinen eigenen Wünschen und Phantasien, was nicht passt zu meinen Lieblingsvorstellungen, was aber wirklich ist. Und dieser Wirklichkeit entgegen breitet die große, reife Erwartung ihre Arme aus. Wie ein Engel!
Das ist es!

»Mir geschehe« – da ist die kluge und vorsichtige Frage »Wie soll das geschehen?« überwunden. Da ist die Auseinandersetzung vorbei, da ist Ruhe eingetreten.

»Mir geschehe« – wie wäre es, in dieser Haltung auf die hohen Festtage zuzugehen, und zu schauen,
was sich in uns melden will oder auch nicht,
was uns miteinander glücken will oder auch nicht,
was in uns und um uns erstrahlen will?

»Mir geschehe« heißt : Ich mache es nicht. Ich erwarte es. Nicht unbelastet. Nicht unbefangen wie ein Kind. Nicht bei Null beginnend. Verwickelt vielmehr in alles Mögliche. Verstrickt.
Verbraucht vielleicht oder verletzt. Trotzdem: Ich erwarte es.

An der Seite Mariens. Mit ihrer Haltung: »Möge es mir geschehen, Gott. Von dir aus.« Amen.
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Heiliger Abend

Den Gottesdienst hält Pfarrer Rolf Weiß.
Liebe Gemeinde,

den Predigttext für Heiligabend finden wir in diesem Jahr aufgezeichnet im Buch des Propheten Micha im Ersten Testament. Dort schreibt Micha im 5.Kapitel:

1 Und du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist.
3 Er aber wird auftreten und weiden in der Kraft des HERRN und in der Macht des Namens des HERRN, seines Gottes. Und sie werden sicher wohnen; denn er wird zur selben Zeit herrlich werden, so weit die Welt ist.
4 Und er wird der Friede sein.

Liebe Gemeinde,
Bethlehem, zu Deutsch “Haus des Brotes” war zur Zeit der Geburt Jesu ein kleines unbekanntes Wüstennest unter römischer Besatzung. Und auch heute noch, 2000 Jahre nach den Ereignissen um die Geburt Jesu, ist Bethlehem ein kleiner Ort, doch mit einem Unterschied zu früher. Heute kennt es fast jeder, heute ist es wirklich berühmt. Und wer einmal ins heutige Bethlehem reist – was leider in den letzten Jahren wegen des israelisch-palästinensischen Konflikts sehr schwierig war – der wird schnell feststellen, dass sich dieser Ort so sehr mit der Geburt seines berühmtesten Sohnes identifiziert hat, dass man dem Kind in der Krippe an jeder, aber wirklich jeder Ecke begegnet. In Bethlehem ist das ganze Jahr über Weihnachten, oder genauer gesagt, Weihnachtsgeschäft. Außer vom Tourismus kann man in dieser Ecke der Welt eigentlich von kaum etwas anderem seinen Lebensunterhalt verdienen.

Ich frage mich nur: hat der Prophet Micha wohl auch schon vor 2700 Jahren daran gedacht, dass Bethlehem einmal auf diese Art und Weise berühmt werden würde? Bethlehem, der Touristenmagnet, weil hier der König der Könige geboren wurde? Sicher nicht.
Ihn wird vielmehr etwas ganz anderes bewegt haben: wie lange wird es wohl noch dauern, bis er endlich kommt, der Retter meines Volkes? Denn die wirtschaftlichen und politischen Probleme seines Landes, sie waren drückend:
Michas Worte vom zukünftigen Kommen des Erlösers trafen also auf sehr fruchtbaren Boden, er wurde von den meisten Menschen geradezu herbeigesehnt.

Und zu Beginn unserer Zeitrechnung, also kurz bevor Jesus geboren wurde, war dies nicht viel anders. Zu dieser Zeit stöhnte das Land Israel unter der harten Knute der römischen Besatzer, mit denen einige korrupte Einheimische gemeinsame Sache machten.

Und wie sieht es bei uns heute aus? Wonach sehnen sich die Menschen in Deutschland in der Weihnachtszeit 2021 bzw. was wünschen sie sich für das neue Jahr 2022? Kann man die Situationen von damals und heute überhaupt miteinander vergleichen?

Unser Leben wird seit längerer Zeit von Corona bestimmt – bei den einen ist es die Angst vor Ansteckung, die Erfahrung mit der Krankheit, der Verlust eines lieben Menschen, ganz neue Dimensionen von Alleinsein, Sorge um den Arbeitsplatz, Not durch Überlastung am Arbeitsplatz, Stöhnen wegen Einschränkungen und Tests, die lästigen Masken und so weiter.

Da ist auch bei uns Erwartung nach Erlösung zu hören und zu spüren. Wir können vielleicht nur wenig gegen das Virus tun, aber dieses Wenige sollten wir tatsächlich unternehmen. Denn mit dem Kommen des Erlösers wird nicht einfach die Verantwortung von uns genommen.

Ich glaube, was die Situationen von damals und heute so vergleichbar macht, das ist die Sehnsucht der Menschen nach Frieden und Gerechtigkeit, nach Sicherheit und Geborgenheit. Waren es damals die unberechenbaren Despoten und ihre Häscher, bitterste Armut sowie der frühe Tod durch Seuchen, die die Menschen bedrohten, so fürchten wir uns heute – ganz unabhängig von Omikron – vor Krebs und Unfällen, Umweltzerstörung und persönlicher Not.

Die Frage lautet: Wer schenkt uns Frieden und Gerechtigkeit, Sicherheit und Geborgenheit? Und wo bekomme ich den Sinn für mein Leben, den ich brauche? Ich bin mir sicher, dass viele von Ihnen, liebe Gemeinde, nicht nur wegen der Tradition zu Weihnachten in die Kirche kommen, nach dem Motto: Weihnachten geht “man” eben zur Kirche. Ich glaube, dass sie auch gekommen sind, weil sie die alte Botschaft vom Kommen des Erlösers so hören wollen, dass sie etwas davon haben.

Was hat die alte Botschaft von Weihnachten eigentlich noch mit meinem Leben zu tun? Wie können Menschen des Jahres 20021 der Botschaft aus dem Jahre 0 noch etwas abgewinnen?
Die alte und doch aktuelle Weihnachtsbotschaft 2021 lautet: Jesus gibt deinem Leben Sicherheit und Frieden, Geborgenheit und Sinn.

Wenn Christen sagen, dass Jesus ihrem Leben Sicherheit und Frieden, Geborgenheit und Sinn gibt, dann deshalb, weil sie durch die Begegnung mit dem lebendigen Herrn drei entscheidende Lebensfragen für sich beantworten können.
Wenn Sie, liebe Gemeinde, diese Fragen auch für sich beantworten können, möchte ich ihnen gratulieren, denn dann sind sie trotz aller Probleme, die jeder und jede hat, ein glücklicher Mensch.

– Wo komme ich her? Bin ich ein Produkt des Zufalls, eine Laune der Natur. Oder gewollt, ein Geschöpf, ein genialer Gedanke Gottes.

Wo gehe ich hin? Was ist das Ziel meines Lebens? Ist das Ziel meines Lebens das Reich Gottes, das hier schon beginnt und in der Ewigkeit seine Vollendung finden wird? Ich kann mir ein Leben ohne diese Hoffnung nicht mehr vorstellen, mit weniger möchte ich mich nicht zufrieden geben.

Warum lebe ich? Was ist der Sinn meines Lebens? Wer diese Frage für sich befriedigend beantwortet hat, der wird auch zur Ruhe kommen. Jesus definiert den Sinn menschlichen Lebens an zwei Sätzen. (Mt. 22,37f): Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt. Dies ist das höchste und größte Gebot. Das andere aber ist dem gleich: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst«.

Liebe Gemeinde, Weihnachten, das ist nur vordergründig der Weihnachtsbaum, die Krippe und die Geschenke. Wirklich Weihnachten wird es für einen Menschen, wenn Jesus Christus in seinem Herzen angekommen ist. Wenn man ihn als Herrn seines Lebens angenommen hat. Erst dann wird man die Geborgenheit, die Sicherheit, den Frieden und den Sinn erleben, dem einen allein der Glaube an diesen Herrn schenken kann.

Dietrich Bonhoeffer schreibt:
7. Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.
Amen.
Grundlage: Pastor Florian Bortfeldt, Ev.-Luth. Kirchengemeinde Idafehn, 26842 Ostrhauderfehn
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1. Weihnachtsfeiertag


Den Gottesdienst hält Pfarrer Rolf Weiß. Predigttext: 1. Joh 3, 1-6

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

„Macht hoch die Tür,
die Tor macht weit!
Es kommt der Herr der Herrlichkeit“,

Liebe Gemeinde!
Dieser Ruf, dieser sehnliche Wunsch hat uns die ganze Adventszeit über begleitet. Er ist in unseren Gottesdiensten laut geworden, in den Liedern, in den Texten und in den Gebeten. Er kam zuhause zum Ausdruck beim Lesen mancher Losungen oder der Tageslese. Oder er war stumm in die Herzen mancher Menschen geschrieben, die kein Gebet mehr über die Lippen bringen. Manch einer hat die Zeit zur Besinnung gefunden, oder sich die Zeit dafür genommen.
Anderen war gar nicht nach Besinnung zumute – aus welchen Gründen auch immer. Aber vielleicht gerade deshalb verspürten auch sie das dringliche Verlangen nach einem, der hilft, der da ist, der das Alleinsein, der die Not beendet. Sehnsucht nach dem, der die Welt rettet, dem Elend ein Ende macht und Frieden schafft, Sehnsucht nach dem, der diese Verheißungen der Bibel erfüllt.

In der letzten Nacht haben wir Geburtstag gefeiert; den Geburtstag dessen, von dem hier die Rede ist: Von Jesus Christus.

Der Stern über Bethlehem ist nur ein Hinweis, ein Wegweiser, der uns Menschen zum wahren Licht führen will, zum Licht der Welt. Von diesem wahren Licht leben wir. Es macht hell, es vertreibt das Dunkel, es lässt wachsen, ja es spendet sogar Wärme und Energie. Und alles dies, Helligkeit, Wachstum, Energie und Wärme sind ganz wichtige Elemente für unser Leben. Ohne sie können wir gar nicht existieren.

Was in der Bibel über Jesus Christus mit dem Bild vom Licht ausgesagt wird, erfahren wir in unserem täglichen Leben ganz konkret. Und wir greifen dieses Bild ja in allen unseren Gottesdiensten auf, wenn wir auf dem Altar Kerzen brennen lassen. Und aus diesem Grunde haben Sie auch die Kerzen am Weihnachtsbaum, von dem ja in der Bibel ansonsten überhaupt nicht die Rede ist, von daher gewinnen sie ihre Bedeutung. Sie sind ein Symbol für das Licht Jesu Christi, das für das Volk, das im Finstern wandelt, hell erstrahlt.

Dieses Licht will in unsere Häuser hinein leuchten und von da aus in der Welt erstrahlen. Die Kerzen bei jeder Taufe haben den gleichen Hintergrund.

Sicher, ich weiß, nur die wenigsten werden in der Heiligen Nacht Kerzen regelrecht entzündet haben. Bei vielen ging es sicher schon deshalb nicht, weil der Baum zuhause elektrisch „beleuchtet“ wird. Und so richtig ‘schimpfen’ kann ich ja darüber gar nicht, weil auch unser Baum hier in der Kirche elektrisch bestückt ist. Es gibt ja viele gute Gründe dafür: Man kann den Baum öfter und problemloser erleuchten, niemand kann sich daran wehtun, und die Zahl der Wohnungsbrände um die Weihnachtszeit ist ja auch tatsächlich zurückgegangen gegenüber meiner Kinderzeit.
Aber es wäre schön, wenn wir nicht so ganz den Sinn für Symbole verlieren, die einen ganz starken Bezug zu unserem Glauben haben. Wenn Sie also nach diesem Gottesdienst nach Hause kommen, dann zünden Sie ruhig eine Kerze an – getrost auch neben dem Weihnachtsbaum mit den elektrischen Kerzen. Lassen Sie sich an das Licht der Welt erinnern!

Weihnachten wird oft als „Fest der Kinder“ bezeichnet. Nicht nur, weil diese sich besonders daran freuen. Sondern auch, weil Jesus selbst als ein kleines, in Windeln gewickeltes Kind seinen Weg in diese Welt begann. Und später – als Erwachsener – hat er dann selbst die Kinder zu sich gerufen. In der Bibel wird öfter mal von Kindern gesprochen. Und ihnen kommt in jeder Hinsicht eine viel größere Bedeutung zu, als wir das in unserem Land zu erkennen geben.
Ja, das geht in der Bibel sogar soweit, dass die Christen selbst ‘Kinder’ genannt werden, Kinder Gottes. Wie wichtig ihnen diese Bezeichnung, dieser Ehrentitel war, haben wir vorhin aus dem
1. Joh. 3, 1-6 gehört.

Es wird in diesen Zeilen von der Liebe Gottes gesprochen. Er hat uns so lieb, dass er uns als seine Kinder angenommen hat. Es wird hier aber auch etwas über das Verhältnis der Kinder zu ihrem himmlischen Vater gesagt: Wer in ihm bleibt, der sündigt nicht. Sie und ich, wir alle haben schon erfahren, dass das leichter gesagt als getan ist.

Zumindest müssen wir uns eingestehen, dass wir immer wieder schuldig werden oder mitschuldig. Dafür müssen wir gar nicht einmal etwas Schlimmes tun. Es reicht schon, wenn wir mit ansehen, wie täglich Gottes Schöpfung zerstört wird oder uns daran sogar beteiligen; oder auch, wie Menschen ungerecht zu anderen sind, wie Menschen Frieden verhindern.
Darum können wir froh und dankbar sein, wenn Gott als unser Vater und unser Herr Jesus Christus uns immer wieder einladen. Wir dürfen bei ihnen anklopfen, zu seiner/ihrer Tür eingehen.

Das ist ein Angebot! Nicht wahr?!

Das ist ein Angebot, das wir gerade jetzt an Weihnachten nicht ausschlagen wollen. Mit Verlangen haben wir auf den Heiland gewartet, uns im Advent auf sein Kommen vorbereitet, damit das Evangelium jetzt Platz in uns greifen kann; damit Jesus Christus jetzt Wohnung in uns nimmt.

Mit Weihnachten feiern wir dieses Kommen unseres Heilandes und freuen uns über die Liebe, die Gott uns darin erweist. So wird schon in der Geburt eines richtig kleinen Kindes ganz deutlich sichtbar, dass er bei uns ist und unsere Schuld und die Sünde vergeben will.
Wir erfahren dabei seine Gemeinschaft, die auch uns untereinander zur Gemeinschaft führen will. Seht, welche Liebe hat uns der Vater erwiesen….

Christus ist kommen, Grund ewiger Freuden!

Amen.
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2. Weihnachtsfeiertag


Den Gottesdienst hält Pfarrer Rolf Weiß. Predigttext: Hebräer 1,1-3

Liebe Gemeinde!

Ein Kind ist geboren. Alle warten auf den ersten Schrei oder zumindest auf einen ersten Laut. Alle wissen: Wenn das Kind schreien kann, dann kann es atmen, dann lebt es. Gott sei Dank!

Sich ausdrücken können, sich mitteilen, über Gefühle reden, über verschiedene Standpunkte diskutieren, miteinander streiten, auch mal aneinander vorbeireden, gemeinsam „Halleluja!“ singen – all das gehört zum Menschsein dazu.

Gott hat geredet. Gott hat zu uns geredet mit dem ersten Schrei des Neugeborenen in der Krippe zu Bethlehem. Er hat zu uns geredet durch seinen Sohn Jesus Christus.

Wenn Jesus redet, zu den Menschen spricht, sie tröstet, ihnen wieder neuen Lebensmut gibt. Oder auch wenn er mit ihnen streitet und diskutiert, dann hören wir Gott in ihm und durch ihn.

Und wenn Jesus handelt, wenn er Menschen heilt, oder wenn er die Tische der Geldwechsler im Tempel umwirft, dann handelt darin Gott.

Christus und Gott sind eins. Das will der Schreiber des Hebräerbriefes sagen. Und dabei richtet er seinen und unseren Blick nicht hinunter zur Krippe im Stall, sondern hinauf in den Himmel. Dort sitzt er zur Rechten Gottes.

Vorgestern, in der Heiligen Nacht, haben wir den Anfang gefeiert: Das neu geborene Kind. Wir haben darüber gestaunt, wie klein und angreifbar Gott geworden ist.

Wie jeder und jede von uns, so ist auch Gott, ist Jesus Christus unter den Schmerzen einer Frau zur Welt gekommen. Und das heißt: Er gehört zu uns. Er ist einer von uns. Er kam in die Welt, er kam zur Welt.

Heute weitet sich unser Blick dank des Hebräerbriefes.
Er geht hinauf in den Himmel.
Er reicht zurück zum Anfang der Welt.
Und er schaut nach vorne bis zu den Enden der Erde.

Jesus Christus ist eben auch der ganz andere. Der Sohn Gottes. Er hat Anteil an seiner Herrlichkeit und seiner Herrschaft. Gott ist unfassbar im wahrsten Sinn des Wortes. Er ist größer und herrlicher, als wir uns vorstellen können.

Das Kind in der Krippe ist uns vertraut, aber Weihnachten, das Christfest bedeutet mehr. „Frieden auf Erden“ hängt zusammen mit dem „Ehre sei Gott in der Höhe“.

Vielleicht geht es ihnen heute so wie mir dieser Tage: Ich habe diese Worte, diesen Hymnus des Hebräerbriefes bestaunt. Dabei habe ich bemerkt, wie wichtig dem Schreiber die Vorstellung ist, dass Jesus Christus der Anfang und das Ende ist. Ich habe wohl wahrgenommen, dass er versucht, die Herrlichkeit Gottes in Worte zu fassen. Aber ich habe auch einige Zeit gebraucht, bis ich gemerkt habe, das das, was da im Hebräerbrief zu lesen ist, dass das auch mit mir, mit uns heute zu tun hat:
Gott hat zu uns geredet durch seinen Sohn.
Gott hat geredet.
Das heißt, er spricht uns an, will uns etwas sagen, mit uns in Kontakt kommen.

Wir leben heute anders als die Menschen damals. Nicht mehr in einer Endzeitstimmung, in der frohen Erwartung, dass Christus bald kommen wird und alles Leid ein Ende haben wird.

Wir leben höchstens in der Angst, dass wir der Welt ein Ende setzen können durch unseren Raubbau an der Natur, durch Krieg und Terror. Lassen wir uns deshalb nicht unterkriegen in unserem Bemühen, anderen Menschen menschenwürdig zu begegnen und die Schöpfung zu bewahren!

Vorgestern waren die Kirchen voll, voller Menschen, mit ihrer Sehnsucht nach Geborgenheit, nach Gemeinschaft.

Gott hat durch Christus zu uns geredet. Christus ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens. Gott will, dass wir ihn erkennen, wenn wir den Sohn anschauen.

Mose musste sich noch verstecken. Sie erinnern sich bestimmt an die Geschichte mit dem Dornbusch. Er konnte die Herrlichkeit Gottes nicht ertragen.

In Jesus ist sie anschaubar geworden. Sie hat menschliche Gestalt angenommen. Die Herrlichkeit Gottes ist sichtbar geworden im neugeborenen Kind ebenso wie im geschundenen Körper am Kreuz. Das ist unfassbar aber dennoch wahr. So weit geht Gottes Ringen um uns, dass er sich so sehr erniedrigt hat.
Wie wir Menschen wurde Jesus geboren. Ärmlich und elend ist er gestorben. Er hat die Reinigung von der Sünde bewerkstelligt, so betont der Schreiber des Hebräerbriefes schon in diesem Zusammenhang der Geburt Jesu. Deshalb ist er überhaupt Mensch geworden. Deshalb feiern bis heute Weihnachten, das Christusfest.

In Jesus Christus ist die Herrlichkeit Gottes sichtbar geworden. Mit jedem Wort aus dem Munde Jesu, mit jeder Geste, mit jeder seiner Taten redet Gott zu uns. So können wir durch Jesus hindurch Gottes Wesen wahrnehmen.
So wie Jesus die Zöllner und Sünder, die Witwen und Waisen geliebt hat, so liebt Gott uns Menschen.
Um uns das zu sagen, ist Gott Mensch geworden.

Um uns die verschiedenen Facetten seiner Liebe zu zeigen: Es geht nicht nur darum, den Nächsten zu lieben wie sich selbst. Es geht um die ganze Ausrichtung des Lebens, um die Umkehr von den falschen Wegen. Es geht um Buße, es geht um den Glauben. Da haben wir also durchaus so manche Aufgaben vor uns.

Rede und Gegenrede. Wort und Antwort. Gott hat zu uns geredet. Und was antworten wir? Denn das gehört ja zu einer echten Beziehung, zu einer gelingenden Kommunikation dazu: Dass miteinander geredet wird, dass es ein gegenseitiges Geben und Nehmen ist.
Ich denke, eine Antwort geben wir hier alle miteinander schon, indem wir heute miteinander singen und beten, gemeinsam Gottesdienst feiern. Das muss man doch miteinander feiern, dass Gott Mensch wurde, dass Himmel und Erde sich berühren, dass Jesus Christus alle Dinge mit seinem kräftigen Wort trägt!
Die Fülle des Lebens, die Herrlichkeit Gottes will gefeiert werden.

Vielleicht brauchen wir gerade in durch Krisen geschüttelten Zeiten solche Texte wie den heutigen Predigttext. Texte, die uns mit hinein nehmen in die Herrlichkeit Gottes. Das Geheimnis der Menschwerdung Gottes muss in unserem kirchlichen Handeln sichtbar und spürbar sein oder werden.

Die Handlungsfähigkeit des Menschen entsteht nicht aus moralischen Appellen, sondern aus dargestellter Fülle. Unser Gottesdienst, unser Dasein als Kirche und unser Dasein als einzelner Christ, als einzelne Christin, kann ein Ausdruck dieser Fülle sein, eine Antwort auf die Menschwerdung Gottes. Sie muss sich nicht in materiellem Reichtum dokumentieren. Zeigen wir der Welt, dass Gott in dieser Welt der Menschen lebt!

Amen.

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Silvester

Den Gottesdienst hält Pfarrer Rolf Weiß. 
Gnade sei mit euch und Friede von dem Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Gemeinde,
kennen Sie auch dieses merkwürdig widersprüchliche Gefühl in den Tagen vor dem Jahresende? Irgendwie entsteht da in den Tagen nach Weihnachten so etwas wie ein überschaubarer Raum – noch vier Tage, noch drei, noch zwei … dann ist das Jahr zu Ende, dann ist es geschafft.

„Zwischen den Jahren“ – so nennen viele von uns diesen merkwürdigen Zeitabschnitt. Zwischen den Jahren – das Alte verschwindet in der Vergangenheit, das Neue hat noch nicht angefangen. Ein denkwürdiger Zwischenraum.
Er kann etwas von Leere, von Langeweile haben, zumal wenn in diesen nebligen Tagen Nacht und Tag so grau in grau ineinander übergehen.

Es kann aber auch ein Gefühl von Freiheit sein in diesem merkwürdigen Zwischenraum: Einmal nicht auf die Uhr sehen, den Wochentag vergessen – zumindest für diejenigen, die in dieser Zeit nicht arbeiten müssen wie sonst.
Dann kommt der Rutsch in das neue Jahr.

Und wir entdecken vielleicht sogar überrascht oder erschrocken, wie voll unser Kalender schon für den Januar ist, was alles vorbereitet und erledigt werden muss – vielleicht schon in den nächsten Tagen. Der Alltag hat uns wieder.

Und der Tannenbaum kann jetzt auch demnächst entsorgt werden. War das alles? Ist etwas geblieben vom Weihnachtsfest, von der besinnlichen Stimmung? Und überhaupt – wieso feiern wir eigentlich den Jahreswechsel ausgerechnet eine Woche nach Weihnachten? Es wären ja auch ganz andere Termine denkbar für den Übergang vom alten in ein neues Jahr.

Die jüdische Tradition etwa feiert das Neujahrsfest schon im Herbst – also dann, wenn nach der langen Hitze und Dürre des Sommers im Orient wieder der erste Regen fällt und die Aussaat auf den Feldern beginnt.

Oder die alte römische Tradition ließ das neue Jahr am 1. März beginnen – darum heißen ja heute noch unsere Monate September – das heißt übersetzt: der siebte, Oktober – übersetzt: der achte, November und Dezember – übersetzt: der neunte und zehnte Monat – jeweils gerechnet vom 1. März an.
Dabei fiel auch in der römischen Tradition der Neujahrsbeginn im März auf den Beginn des Frühlings, auf den Beginn der Aussaat auf den Feldern.

Was aber, liebe Gemeinde, ist dann eigentlich der Neubeginn, der Neuanfang, den wir Christen in Europa mit unserem Jahreswechsel zum 1. Januar ausdrücken?

Die Antwort auf diese Frage lautet: Eigentlich feiern wir erst seit etwas mehr als 300 Jahren den Neujahrstag am 1. Januar – so wurde es festgelegt durch das Edikt des Papstes Innozenz VII. im Jahr 1691.

Und vorher? Da begann das neue Jahr für die Christen in Europa mit dem 25. Dezember, dem ersten Weihnachtstag. Darum heißt es etwa in der letzten Strophe des berühmten Weihnachtsliedes von Martin Luther “Vom Himmel hoch da komm ich her”:
     “Lob, Ehr sei Gott im höchsten Thron,
der uns schenkt seinen ein’gen Sohn.
Des freuet sich der Engel Schar
und singet uns solch neues Jahr.”

Das neue Jahr beginnt im Grunde zu Weihnachten. Wenige Tage nach der Wintersonnenwende: Jesus, der Retter, das Licht der Welt ist geboren. Jetzt werden die Tage wieder länger. In der Mitte der Nacht liegt der Anfang eines neuen Tages. Das neue Jahr beginnt zu Weihnachten.

     “Lobt Gott ihr Christen alle gleich in seinem höchsten Thron,
     der heut schließt auf sein Himmelreich und schenkt uns seinen Sohn.
     Heut schließt er wieder auf die Tür zum schönen Paradeis,
der Cherub steht nicht mehr davor. Gott sei Lob Ehr und Preis!”

So heißt es in den Worten eines anderen spätmittelalterlichen Weihnachtsliedes.

Das neue Jahr beginnt zu Weihnachten heißt auch: Mit der Geburt Jesu steht uns der Himmel offen. Und der Traum vom Paradies, vom guten Anfang in Gottes Hand darf von neuem beginnen.
Darum stellen wir die Tannenbäume auf mit glänzenden Kugeln und Sternen behängt – weil sie uns an diesen guten Anfang erinnern sollen: an den Baum des Paradieses mit den Früchten der Erkenntnis und an den Himmel, der uns offen steht in der Geburt Jesu.

Durch die Festlegung des 1. Januars als Neujahrstermin wurde der 31. Dezember zum letzten Tag des alten Jahres. Der christliche Schutzheilige des 31. Dezembers war aber seit alter Zeit der Papst Silvester, gestorben am 31. Dezember des Jahres 335. Damit wird verständlich, warum wir diesen letzten Tag des Jahres Silvester nennen – eben nach dem alten Schutzheiligen dieses Tages.

Mit dem Papst Silvester hat es auch noch eine andere besondere Bewandnis: Er war Papst zu genau der Zeit, in der der römische Kaiser Konstantin das Christentum zur einheitlichen Staatsreligion des römischen Imperiums machte – in der also der christliche Glaube innerhalb weniger Jahre von einem verspotteten und verfolgten Bekenntnis zur global beherrschenden Weltanschauung wurde.

Das neue Jahr in Gottes Hand – das bedeutet: Mit der Geburt Jesu wird das Dunkel der Welt durchbrochen. Und der Traum vom Paradies, vom guten Anfang in Gottes Hand darf von neuem beginnen. Der Tannenbaum, der Baum des Paradieses mit glänzenden Kugeln und Sternen behängt – soll uns an diesen guten Anfang erinnern.

Um hell und dunkel geht es in gewisser Weise auch in den Zeilen bei Mt., die wir vorhin gehört haben. In diesem Gleichnis werden fruchtbar und ungenießbar in den Mittelpunkt gestellt.
Im Grunde wird hier zwischen Jesus und den Jüngern darüber diskutiert, was im zurück liegenden Jahr gut war. Und was sich zum Besseren ändern muss.

Bei uns heute werden solche rückblickenden Betrachtungen in Fernsehsendungen gemacht oder in Briefen, die sich manche Menschen tatsächlich immer noch schreiben.

Und wie oft geht es uns dabei eben wie den Jüngern, die nicht so richtig wissen, ob sie nicht gleich gegen das Ungenießbare angehen sollen.

Im Grunde weist sie Jesus entgegen allem bäuerlichen Verstand an, Gutes und Schlechtes erst einmal nebeneinander wachsen zu lassen. Erst später sollen beide Gewächse voneinander getrennt werden.

Geht es Ihnen manchmal im persönlichen Rückblick auch so, dass gar nicht bei allen Entscheidungen oder bei allen Taten so ganz klar ist, ob sie richtig oder falsch waren. Bei manchen geht das natürlich schon. Aber es gibt da doch immer wieder Zweifelsfälle.

Um wie viel unklarer ist das oft, wenn wir nicht nur unser eigenes Verhalten sondern auch das anderer Menschen ansehen. Wie gerne würden wir da doch manchmal schon etwas ausreißen wollen, obwohl es noch gar nicht ausgewachsen ist.

Ich vermute, mich wird diese Frage in den kommenden Wochen noch einmal viel umfassender beschäftigen, wenn ich dann richtig Zeit habe, auf mein Berufsleben zurückzublicken. Da findet sich dann bestimmt auch einiges, das ich gern am Wachsen gehindert hätte. Dafür wird es anderes geben, um das ich im Nachhinein froh bin.

Die Sätze Jesu zielen natürlich auch in Richtung auf Gottes Gericht am Ende der Tage. Mir kommt in diesem Zusammenhang immer wieder ein Satz meines Lehrers aus dem Predigerseminar in den Sinn, der gesagt hat: „Ich bin froh, dass es am Ende Gott sein wird, der zu Gericht sitzt – und nicht Menschen über Menschen.“

In diesem Sinn wünsche ich Ihnen „einen guten Rutsch“, denn das kommt wohl von dem jüdischen Wort Rosch und heißt Anfang. Also: Einen guten Anfang im Jahr 2022!

Amen.

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