Invocavit

Den Gottesdienst zur Predigtreihe “Unterwegs” hält Pfarrer Nasarek.

Präludium

liturgischer Gruß (Nasarek)

EG 362, 1-4 (Ein feste Burg ist unser Gott [Wochenlied])
Votum – * amen
Der Herr sei mit euch – * und mit deinem Geist.
Psalmvers (ohne Gemeinde) – * Gloria patri

Tagesgebet – * amen

EG 392, 1-4 (Gott rufet noch)

Predigt zu Gen. 12, 1
Und der HERR sprach zu Abram: „Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will. Ich will dich zum großen Volk machen, ich will dich segnen, und ich will deinen Namen groß machen. Sei ein Segen. Ich will segnen, die dich segnen, wer dich verflucht, den will ich verfluchen. In dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden.“ Abram ging. Und Lot ging mit ihm.

Warum um alles in der Welt, liebe Gemeinde, möchte Gott, dass Abram aus Haran wegzieht? Haran ist der Mittelpunkt einer hochentwickelten Kultur, die Wiege unserer Zivilisation: Hier wurde die Schrift erfunden; hier wurden die ersten Städte erbaut. Warum um alles in der Welt sollte Abram hier weg?

Abram hat eine Stimme gehört, und eine eigenartige Unruhe ergreift ihn. Er kann das Leben nicht länger als urewigen Zyklus von Aufgehen, Scheinen und Niedergehen betrachten. Es ist, als rufe ihn jemand aus diesem Kreislauf des ewig Gleichen heraus, diesem Kreislauf, in dem alles Dasein beschlossen und in dem nichts Neues zu erwarten ist, weil alles kommt, wie es kommt, und alles ist, wie es ist.

Terach, der Vater, war schon seit geraumer Zeit beunruhigt: „Abram, du glaubst doch noch an unsere Götter, die uns Fruchtbarkeit nicht nur verheißen, sondern auch schenken?“ – „Verzeih mir, Vater, es tut mir leid, ich glaube nicht.“

Die jüdischen Rabbiner kennen darüber eine schöne Geschichte: Terach ist ein Bildhauer, der Götterbilder herstellt, und Abram muss sie auf dem Markt verkaufen. Doch Abram ist ein miserabler Händler. Er glaubt nicht mehr an seinen eigenen Handel. Das Volk drängt sich vor seinem Stand, voller Hunger im Herzen. Abram könnte steinreich werden, wollte er nur am Kummer und am Verlangen des Volkes verdienen. Doch er steht auf dem Markt und verkündet laut, wie wertlos sein Zeug sei: „Alles wertloser Plunder“, ruft Abram und vernichtet schließlich die Bilder und Statuen eigenhändig. „Es waren keine Götter. Mein Vater hat sie gemacht. Ich aber suche jenen Gott, der meinen Vater gemacht hat.“

Abram, der Sohn, ist einem anderen Gott auf der Spur. Nicht dem Gott der Fruchtbarkeit und der eigenen Potenz, der sich lediglich im Takt der Jahreszeiten, im Kreislauf der Zeiten bewegt, nein wer will einen Gott kennenlernen, der vor dem Anfang und hinter dem Ende allen Daseins, allen Lebens zu suchen ist. Nicht ein Gott, dessen Bild man in den Schrein stellen kann. Wenn Abrams Gott Gott ist, dann lässt er sich nicht einordnen, lässt sich nicht festlegen. Er ist ein Gott, der mitgeht durch die Zeiten und durch die Länder. Später wird er sich so einem anderen vorstellen, dem Mose: Ähjäh ascher ähjäh. Martin Luther übersetzt: „Ich bin, der ich bin.“ Vielleicht müssten wir erklärender den Namen Gottes JHWH übersetzen: „Ich bin der Gott, der bei dir ist, wo immer du auch bist.“

Hier, liebe Gemeinde, in der Geschichte mit Abram, geschieht etwas ganz Neues. Einerseits ist es ein ganz belangloses Ereignis: Ein Nomadenscheich sattelt sein Kamel, weil er eine eigenartige Unruhe verspürt und weg möchte. Doch in dem Moment, da sich jene kleine Karawane in Bewegung setzt, halten Gott und seine heiligen Engel abermals im hohen Himmel ihren Atem an; denn dort unten ist ein Menschenkind, das erstmals zu ahnen beginnt, dass das Leben keine endlose Folge des ewig Gleichen ist, kein ewiger Kreislauf. Dort unten bricht ein Mensch mit dem zyklischen Denken der Jahrhunderte. Jetzt fängt die Geschichte an. „Ich sehe was, was ihr nicht seht“, ruft Abram. „Ich glaube, dass wir das Leben als eine Linie, als einen Weg betrachten müssen.“ Und er wagt sich auf diesen Weg.

Dieser Weg, Ihr Lieben, lässt sich auf keiner Landkarte einzeichnen. Es ist der Weg des Glaubens, den Abram geht. Es ist der Weg, den das Volk Israel ging und noch immer geht seit der Zeit, da es Gottes Stimme vernommen hat.

Hier geht es nicht um die Abendteuer eines Nomadenscheichs, der von A nach B zieht, nein, von Abram erzählend erzählen Abrams Kinder und Enkel und Urenkel von den Erlebnissen ihres eigenen Glaubens. Die Abram-Erzählungen sind nicht die Biographie des Menschen Abram, sondern die Autobiographie des Volkes Israel. Fragt man Israel, fragt man in den Synagogen die Rabbiner nach Herkunft und Bestimmung des Menschen, bekommt man die Geschichte von Abrams Herkunft und Bestimmung zu hören.

Welch eine Geschichte! Antwort auf die Sinnfragen des Lebens schlechthin: Woher komme ich, wohin gehe ich? Und wozu lebe ich?

Und Gott sprach: „Abram, geh aus deinem Land…“ Welch ein Eingriff in sein Dasein! Weg aus seinem Land, seiner Familie, seinem Haus, seiner Sicherheit. Jegliche Sicherheit seines Daseins wird ihm entzogen. Und wohin soll er gehen? In ein Land, das Gott ihm zeigen wird. Mehr weiß er nicht. Und seine Nachkommen werden zahlreich sein. Er, der Kinderlose, mit einer unfruchtbaren Frau getraut… Abram muss glauben, was nicht zu glauben ist.

Er sattelt sein Kamel. Seit er die Stimme vernommen hatte, war er ein Fremder im eigenen Land. Er ging.
„Abram, gehst du auf Reisen?“
„Ja, ich gehe auf Reisen.“
„Und wohin geht die Reise?“
„Ich gehe nach Kanaan.“
„Wann kommst du wieder?“
„Ich weiß nicht, ob ich je wieder komme.“

Abram geht. Er vertraut darauf, dass Gott ihm ein Land zeigen und einen Sohn geben wird. Ein urmenschliches Verlangen: Ein Ort, an dem man sich zu Hause fühlt, jemanden, für den man da ist.

Und er weiß, Gott ist mit mir. „Sei ein Segen! Ich will segnen, die dich segnen!“ Worte der Liebe. Minnesang für den Erwählten: „Ich liebe dich, ich bleibe bei dir. Ich gehe mit dir mit. Wer dir nahetritt, tritt mir nahe!“

Abram ging. Der Land-lose. Der Sohn-lose. Er ging. Voller Vertrauen.

Heil und Segen zu allen Zeiten! Heil und Segen für alle Menschen, auch für uns.

Dieses Vertrauen, diesen Glauben wünsche ich uns, ich wünsche ihn Ihnen hier in Diedelsheim/ Dürrenbüchig, ich wünsche ihn für mich und die Meinen, ich wünsche ihn für die Menschen, die mit mir leben, ich wünsche ihn auch für meine Kirche in diesen Zeiten der Krise, aber für unsere Welt, die mitten in Europa wieder einen Krieg aushalten muss. Amen.

EG 392, 7+8 (Gott rufet noch)

Fürbitten

evtl. Totengedenken

Vaterunser

Friedensgruß

Abkündigungen

EG 347, 1-6 (Ach bleib mit deiner Gnade)

Segen – * amen, amen, amen

Postludium