Den Regio-Gottesdienst hielt Pfarrer Ralf Bönninger.
Lk 24,50-53
Er führte sie aber hinaus bis nach Betanien und hob die Hände auf und segnete sie.
51 Und es geschah, als er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel.
52 Sie aber beteten ihn an und kehrten zurück nach Jerusalem mit großer Freude
53 und waren allezeit im Tempel und priesen Gott.
Liebe Gemeinde!
Christi Himmelfahrt. In den Köpfen vieler Menschen, ist dieser Feiertag eher als Vatertag vorhanden. Ein Theologe hat einmal vorgeschlagen, an diesem Tag auch in der Kirche Vatertag zu feiern, wobei er natürlich den Vater im Himmel meinte. Nun – wir tun unser Bestes. Wir feiern heute unter freiem Himmel mit anschließendem Essen und Trinken. Vatertag, und wir meinen natürlich den Vater im Himmel. Denn an Christi Himmelfahrt geht es gar nicht so sehr nur um einen mehr oder weniger spektakulären Abgang unseres Herrn, es geht sehr viel mehr um die Verbindung zwischen Gott und Mensch, zwischen Mensch und himmlischen Vater. Christi Himmelfahrt ist der Feiertag, an dem Himmel und Erde sich berühren. Sich ganz nah kommen. Etwas Neues beginnt. Jesus ist jetzt nicht mehr für uns als Mensch greifbar, nicht mehr leiblich auf dieser Welt vorhanden, er bleibt aber unser direkter Draht zu Gott. Darum geht es, und das feiern wir heute an diesem Feiertag.
Eben haben wir als Lesung dieses Geschehen gehört, wie Lukas es in seinem Evangelium beschreibt. Gerade mal vier Verse lang ist diese Schilderung – vier kurze Verse. Merkwürdigerweise wird in diesen vier Versen auch kein einziges Wort gesprochen. Da gibt es keine Belehrung der Jünger, keine letzten Worte Jesu. Da wird einfach beschrieben, wie Jesus seine Jünger hinaus nach Bethanien führt, wie er sie segnet und während er sie segnet von ihnen gen Himmel scheidet, weiter wie die Jünger ihn anbeten und schließlich voll Freude zurückkehren nach Jerusalem, um im Tempel allezeit Gott zu preisen. Ein sehr dichter Text. Er verzichtet völlig auf irgendwelche Ausgestaltungen, irgendwelche Verzierungen, irgendwelches Beiwerk. Hier gibt es keine Wolke, keine Engel, keine Dialoge. Die nüchterne Schilderung eines Geschehens in vier Akten.
Erster Akt: „Er führte sie hinaus bis nach Bethanien“. Jesus holt seine Jünger nach draußen, ins Freie, da, wo keine Mauer den Blick versperrt. Er führt sie nach Bethanien, ein Ort nahe Jerusalem. Und eben: Ins Freie. Im Freien ist es hell, man kann frei atmen. Man kann sich als große Menge versammeln. Mauern begrenzen den Blick. Hinter Mauern zieht man sich zurück. Das können übrigens im übertragenen Sinne auch Kirchenmauern sein. Auch bei uns in der Kirche gibt es ja viele Mauern, viele Grenzen, die zum Beispiel die verschiedenen Konfessionen voneinander trennen. So ist es zum Beispiel nicht möglich, gemeinsam Abendmahl zu feiern, also ökumenisch. Nun weiß ich als Theologe natürlich um die theologischen Probleme, um die unterschiedlichen Auffassungen des Abendmahlsverständnis zwischen katholischer und evangelischer Theologie. Aber bei der Feier des Abendmahls geht es doch zunächst einmal wirklich um eine Feier und nicht um eine dogmatische Auseinandersetzung. Jesus hat sich mit dem Obergauner Zachäus an einen Tisch gesetzt. Er hat beim letzten Abendmahl selbst den Judas nicht ausgeschlossen. Und bei uns werden die Schafe einer Herde an zwei verschiedenen Trögen gefüttert, weil die Hirten sich miteinander streiten. Lassen wir uns doch von Jesus ins Freie führen. Lasst uns gemeinsam unser Bethanien suchen, unseren Ort der Gotteserkenntnis ohne Mauern und Grenzen, die uns voneinander trennen.
Zweiter Akt: „Er hob die Hände auf und segnete sie. Und es geschah, als er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel“. Ein Segen zum Abschied. Das deutsche Wort Segnen ist aus dem lateinischen Wort Signare abgeleitet. Signare heißt eigentlich bezeichnen, kennzeichnen. Segnen meint dann im christlichen Sinne mit dem Kreuz bezeichnen. Gerade so, als trügen die Gesegneten ein geheimes Zeichen auf der Stirn, das sie unter den persönlichen Schutz Gottes stellt. Das ist ein großer Zuspruch, der damit verbunden ist. Ein Segen zum Abschied ist mehr als ein Händedruck oder eine sonstige Abschiedsgeste. Jesus segnet seine Jünger und während er sie segnet fährt er auf gen Himmel. Also er segnet nicht erst und verlässt sie dann, sondern er verlässt sie segnend. Er hört nicht auf zu segnen. Segen ohne Ende. Jesus nimmt nicht nur Abschied, er setzt gleichzeitig einen neuen Anfang. Er stellt uns unter seinen Segen, der nicht aufhört. Hier berühren sich wirklich Himmel und Erde. Der endlose Segen Jesu überbrückt jegliche Distanz, er verbindet uns mit unserem Gott, er stellt uns in das Reich Gottes, auch wenn wir noch in dieser Welt leben. Wir sind Gesegnete, das heißt mit dem Kreuz Jesu bezeichnete Menschen; wir sind schon jetzt erlöste Menschen, wenn auch die Vollendung der Erlösung noch aussteht. Wir dürfen als gesegnete und erlöste Menschen in dieser Welt leben, dürfen den aufrechten Gang wagen, ja wir können sogar in die Irre gehen und doch immer wieder zu Gott zurückfinden.
Dritter Akt: „Sie aber beteten ihn an“. Das griechische Wort, das hier für anbeten steht, meint das anbetende Niederfallen, niederkniend huldigen, fußfällig verehren. Ein Wort übrigens, das es ganz schön in sich hat. Eine solche fußfällige Verehrung, das erwarteten in der Antike zum Beispiel auch die Herren von ihren Sklaven. Und die taten das nicht etwa, weil sie ihre Herren so lieb hatten, sondern schlicht, weil sie es mussten. Dieses Wort taucht auch auf in der Geschichte von der Versuchung Jesu. Hier ist es der Versucher, der Jesus alle Reiche dieser Welt verspricht, wenn der nur sich vor ihm niederwirft und ihn anbetet. Wir sehen: Diese Art der Anbetung kann auch ganz schön negativ sein, es kommt nur drauf an, wen oder was man anbetet; wen oder was man auf den Altar seines Lebens stellt. Steht da der lebendige, segnende Christus oder steht da eine Art Plastikgott als Ersatz. Es gibt eine Karikatur von Loriot, da steht da ein Auto. Vielleicht könnte man da auch einen Fernseher daneben stellen oder auch den ein oder anderen Popstar als Möchtegern-Messias. Ich möchte hier jetzt gar nicht das Lamento vom Zerfall der Sitten singen. Falsche Anbetung gab es immer schon, wie gesehen schon in der Antike. Nur: Es gibt sie eben auch heute noch. Doch zurück zu den Jüngern. Sie fallen nieder und beten Jesus an, nicht weil sie Sklaven sind, die das tun müssen ohne etwas dabei zu empfinden; nicht weil sie Jesus als Star verehren. Sondern sie erkennen, dass sie bei ihm erlöste Menschen sind, die unter seinem Segen stehen.
Schließlich der vierte Akt: „Sie kehrten zurück nach Jerusalem mit großer Freude und waren allzeit im Tempel und priesen Gott“. Die Jünger kehren zurück. Sie bleiben nicht in Bethanien, dem Ort der besonderen Gotteserfahrung. Allerdings sind sie verändert. Mit großer Freude kehren sie um. Sie tragen den Segen des Herrn mit sich. Sie sind nicht etwa traurig, weil Jesus ja jetzt nicht mehr leiblich da ist, sondern im Gegenteil. Sie wissen ihn weiterhin nahe. Sie wissen sich weiterhin durch seinen Segen mit ihm verbunden. So, wie wir ja auch das Erleben eines Gottesdienstes mit in unseren Alltag nehmen können. Das ist ja auch der Grund, warum Gottesdienste immer mit dem Segen enden. Den nimmt man mit auf den Weg und lebt seinen Alltag als Gesegneter des Herrn. Mein Lehrpfarrer pflegte immer zu sagen, der Gottesdienst sei eine Dankstelle. Ein schönes Wortspiel. Da steckt einmal der Dank drin, also die Anbetung Gottes, dem man dankt. Weiter erinnert dieses Wortspiel natürlich an die Tankstelle. Man tankt auf, schöpft neue Kraft. So hat er seinen Konfirmanden immer die Frage beantwortet, warum Gottesdienste wichtig sind, obwohl man doch nach Meinung einzelner Konfirmanden auch ohne Gottesdienst glauben könne. Nein, nein, sagte mein Lehrpfarrer, mit dem Glauben ist es ein bisschen wie mit einem Auto. Wenn man nicht ab und zu zur Tankstelle fährt, bleibt es irgendwann stehen. Man kann das natürlich auch umdrehen: Ein Auto, das nur an der Tankstelle steht, hätte ja ebenso wenig Sinn; ein Auto gehört auf die Straße. Und so gehören wir in unseren Alltag, aber wir kommen von etwas her. Wir kommen mit dem Segen Gottes. Und wenn die Jünger damals nicht aufhörten, Gott zu preisen, dann gaben sie damit diesen Segen weiter. Preisen und Segnen sind im Griechischen ein und dasselbe Wort. Die Jünger führen fort, was Jesus an ihnen getan hat. Sie sind selbst zum Segen geworden. Und auch wir werden selbst zum Segen, wenn wir unser Leben an Gott ausrichten, wenn wir ihn preisen, indem wir unsere Begeisterung weitergeben. Durch fröhliche Gottesdienste, durch einen respektvollen Umgang miteinander, dadurch, dass wir Trennendes niederreißen.
So feiern wir zu Christi Himmelfahrt nicht die Trennung von Jesus, sondern im Gegenteil seine Nähe. Wir stehen unter seinem Segen als erlöste Menschen. Im segnenden Christus berühren sich Himmel und Erde.
Amen