Okuli

Den Gottesdienst hält Prädikant V. Geisel.
Musik zum Eingang

BEGRÜSSUNG
Meine Augen sehen stets auf den Herrn; denn er wird meinen Fuß aus dem Netze ziehen.
Von diesem Psalmwort leitet sich der Name dieses dritten Sonntags in der Passionszeit ab: „Oculi“, „die Augen“.
Wenn wir die Augen auf jemanden richten, dann nehmen wir ihn wahr, orientieren uns an ihm, folgen ihm nach. So ist „Nachfolge“ auch der Leitgedanke dieses Sonntags.
Wer den Weg der Nachfolge geht, der wandelt im Licht. Dieses Bild verwendet die Bibel verschiedentlich. Das erste Lied greift dieses Bild auf:

GEMEINDELIED EG 441, 1-5: Du höchstes Licht, du ewger Schein

VOTUM UND GRUSS
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.
Der Herr sei mit euch …
> und mit deinem Geist.

HINFÜHRUNG ZUM PSALM
Auf dem Weg der Nachfolge begleitet uns das Vertrauen auf Gottes Nähe. Diese Einsicht besingen die Psalmen des Alten Testaments in vielfältiger Weise. So beten wir mit Worten des Psalms 34:

PSALM ZUM EINGANG EG 718.2: Ps 34
Die Augen des Herrn merken auf die Gerechten
und seine Ohren auf ihr Schreien.
     Das Angesicht des Herrn steht wider alle, die Böses tun,
     dass er ihren Namen ausrotte von der Erde.
Wenn die Gerechten schreien, so hört der Herr
und errettet sie aus all ihrer Not.
     Der Herr ist nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind,
     und hilft denen, die ein zerschlagenes Gemüt haben.
Der Gerechte muss viel erleiden,
aber aus alledem hilft ihm der Herr.
     Der Herr erlöst das Leben seiner Knechte,
     und alle, die auf ihn trauen, werden frei von Schuld.

>  Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt
und immerdar und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

BUSSGEBET
Gott, du bist die Stärke und kümmerst dich um die Menschen in ihrer Schwachheit. Alle Wege unseres Lebens willst du mit uns gehen. Deine Hilfe sagst du ganz besonders all denen zu, die auch im Leid am Vertrauen zu dir festhalten.
Wir aber tun uns oft schwer, uns ganz dir anzuvertrauen. Wir fürchten uns vor leidvollen Erfahrungen und möchten sie umgehen. Wir leben in Angst, weil wir deinen Weg nicht sehen und unserem eigenen Weg so wenig Sinn abgewinnen können. Wir bauen unser Leben auf falsche Sicherheiten und müssen erleben, wie sie uns immer wieder täuschen.
Aber du, Gott, siehst in unsere Herzen. Du allein schenkst uns die Kraft, die wir zum Leben brauchen. Daher bitten wir dich: Gib uns Licht, damit wir deinen Weg zu uns erkennen. Gib uns Geborgenheit in deiner Nähe. Gib uns ein festes Herz und mach es fest in dir.
Um dein Erbarmen bitten wir dich und rufen:

KYRIE
Kyrie eleison. – Herr, erbarme dich!
Christe eleison. – Christe, erbarme dich!
Kyrie eleison. – Herr, erbarm dich über uns!

GNADENSPRUCH
Wir dürfen darauf vertrauen, dass Gott uns sieht und an unserer Seite ist. Im Ersten Brief an die Korinther hören wir:
Gott ist treu, durch den ihr berufen seid zur Gemeinschaft seines Sohnes Jesus Christus, unseres Herrn.
An diese Gemeinschaft wollen wir uns immer wieder erinnern und uns dadurch erneuern lassen.

GEMEINDELIED EG 390, 1: Erneure mich, o ewigs Licht

TAGESGEBET
Guter Gott, du siehst uns, auch wenn wir dich aus dem Blick verloren haben. Wo vieles aussichtslos erscheint, zeigst du uns einen Weg.
So öffne uns die Augen, dass wir dich wahrnehmen, und mach unsere Herzen bereit, dir nachzufolgen auf dem Weg, den du uns eröffnest.
Darum bitten wir dich durch deinen Sohn Jesus Christus, unsern Herrn, der mit dir und dem Heiligen Geist lebt und regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit.
>  Amen.

HINFÜHRUNG ZUR SCHRIFTLESUNG
Nachfolge – das klingt im ersten Moment einfach. Aber wenn es konkret wird, dann kommen die Einwände: So leicht ist es dann doch nicht. Hören wir in den Worten aus dem Lukas-Evangelium, was Jesus dazu zu sagen hat:

SCHRIFTLESUNG Lk 9, 57-62
Und als sie auf dem Wege waren, sprach einer zu ihm: „Ich will dir folgen, wohin du gehst.“ Und Jesus sprach zu ihm: „Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege.“

Und er sprach zu einem andern: „Folge mir nach!“ Der sprach aber: „Herr, erlaube mir, dass ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe.“ Er aber sprach zu ihm: „Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes!“

Und ein andrer sprach: „Herr, ich will dir nachfolgen; aber erlaube mir zuvor, dass ich Abschied nehme von denen, die in meinem Hause sind.“ Jesus aber sprach zu ihm: „Wer die Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.“

GEBETSRUF
Dank sei dir, Gott, für das Wort des Lebens. Amen.
>  Amen, amen, amen.

GLAUBENSBEKENNTNIS
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde,

und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn, empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel; er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters; von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.

Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung der Toten und das ewige Leben. Amen.

GEMEINDELIED EG 391, 1-4: Jesu, geh voran

PREDIGT 1 Kön 19, 1-13

Liebe Gemeinde!


Für manche von uns haben bestimmte Bibeltexte eine besondere Bedeutung. Sie sprechen uns besonders an oder haben uns in einer ganz konkreten Lebenssituation weitergeholfen.

Der heutige Predigttext ist für mich selbst sehr wichtig geworden. Vor genau 20 Jahren musste ich einen Weg, den ich eingeschlagen hatte, abbrechen. Die Konfirmandinnen und Konfirmanden zu begleiten und Gottesdienste zu feiern, hat mich damals viel Kraft gekostet.
Und dann hatte ich – wie heute – am Sonntag Oculi Gottesdienst zu halten und dieser Text war dran. Ein Text, der für mich zum entscheidenden Impuls wurde, dass es nun wieder aufwärts gehen würde.
Hören wir die Worte aus dem 1. Buch der Könige im 19. Kapitel:

Und Ahab sagte Isebel alles, was Elia getan hatte und wie er alle Propheten Baals mit dem Schwert umgebracht hatte. Da sandte Isebel einen Boten zu Elia und ließ ihm sagen: „Die Götter sollen mir dies und das tun, wenn ich nicht morgen um diese Zeit dir tue, wie du diesen getan hast!“ Da fürchtete er sich, machte sich auf und lief um sein Leben und kam nach Beerscheba in Juda und ließ seinen Diener dort. Er aber ging hin in die Wüste eine Tagereise weit und kam und setzte sich unter einen Ginster und wünschte sich zu sterben und sprach: „Es ist genug, so nimm nun, Herr, meine Seele; ich bin nicht besser als meine Väter.“
Und er legte sich hin und schlief unter dem Ginster. Und siehe, ein Engel rührte ihn an und sprach zu ihm: „Steh auf und iss!“ Und er sah sich um, und siehe, zu seinen Häupten lag ein geröstetes Brot und ein Krug mit Wasser. Und als er gegessen und getrunken hatte, legte er sich wieder schlafen. Und der Engel des Herrn kam zum zweiten Mal wieder und rührte ihn an und sprach: „Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir.“ Und er stand auf und aß und trank und ging durch die Kraft der Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Berg Gottes, dem Horeb.
Und er kam dort in eine Höhle und blieb dort über Nacht. Und siehe, das Wort des Herrn kam zu ihm: „Was machst du hier, Elia?“ Er sprach: „Ich habe geeifert für den Herrn, den Gott Zebaoth; denn die Israeliten haben deinen Bund verlassen und deine Altäre zerbrochen und deine Propheten mit dem Schwert getötet und ich bin allein übrig geblieben, und sie trachten danach, dass sie mir mein Leben nehmen.“
Der Herr sprach: „Geh heraus und tritt hin auf den Berg vor den Herrn!“ Und siehe, der Herr ging vorüber. Und ein großer, starker Wind, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, kam vor dem Herrn her; der Herr aber war nicht im Winde. Nach dem Wind aber kam ein Erdbeben; aber der Herr war nicht im Erdbeben. Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer; aber der Herr war nicht im Feuer. Und nach dem Feuer kam ein stilles, sanftes Sausen. Als das Elia hörte, verhüllte er sein Antlitz mit seinem Mantel und ging hinaus und trat in den Eingang der Höhle.

„Es ist genug. Ich kann nicht mehr. Und ich will auch nicht mehr. Am liebsten wäre ich gar nicht mehr da.” Es gibt solche Zeiten, in denen einem der Boden unter den Füßen wankt. Zeiten, in denen einem der Lebensmut abhandenkommt. Zeiten, in denen uns ein „Weiter so!“ ausgeschlossen scheint.
Es gibt tausend verschiedene Gründe, warum ein Mensch an solch einen Punkt kommt:

  • Da gibt einer im Beruf oder in einem Ehrenamt sein Bestes – so lange, bis er sich nur noch überfordert fühlt, ausgenutzt von anderen, ausgelaugt bis zum Letzten.
  • Da versucht eine, es allen recht zu machen: den Kolleginnen, den Kindern, dem Mann. Und merkt, wie sie langsam, aber sicher dabei kaputtgeht.
  • Da geht der große Lebensentwurf in die Brüche, und neben der Enttäuschung über sich selbst muss einer noch hämische Kommentare von Mitmenschen über sich ergehen lassen.

„Ich kann nicht mehr. Und ich will auch nicht mehr.“ So empfinden Menschen immer wieder – aus ganz verschiedenen Gründen.

Der Prophet Elia, der uns im Predigttext begegnet, ist auch an diesem Punkt. Ausgerechnet ein Prophet! Einer, von dem man denken könnte, der müsse doch dagegen gefeit sein, mit seinem direkten Draht zu Gott und so. Aber nichts dergleichen: Dieser Elia kommt uns entgegen als ein Mensch wie wir. Als einer, der an seine Grenzen kommt.
Für mich liegt allein schon darin etwas merkwürdig Tröstliches, dass das überhaupt berichtet wird. Der Mensch unter dem Wacholderbaum, der Mensch, der am Ende ist – er ist wichtig. Er ist es wert, beachtet zu werden. Weil Gott auf ihn achtet, auch wenn es dieser Mensch noch nicht weiß.
Eigentlich lief es gut für Elia und das, was er auszurichten hatte. Gott hatte sich mit einem machtvollen Zeichen zu ihm bekannt. Aber dann hatte die Königin ihm den Kampf angesagt, ihm einen grausamen Tod angekündigt.
Und das war einfach zu viel gewesen für Elia. Die Angst hatte ihn gepackt, die nackte Angst um sein Leben. Er war gelaufen, nur gelaufen, einfach weg, in die Wüste, mutterseelenallein.
Nun kann er nicht mehr: „Es ist genug.“ Da ist nichts mehr zu wollen, sondern einfach nur noch loszulassen. Sich fallen zu lassen ins bewusstlose Nichts. „Lass mich einschlafen, Gott, und nicht mehr aufwachen“ – so legt sich Elia zum Schlafen hin.

Wie gehen wir in unserer Angst und Not mit Gott um? Was erwarten wir von ihm? Wollen wir uns überhaupt noch an ihn wenden?
Der Theologe Helmut Thielicke hat einmal gesagt: „Wenn ein Mensch Krebs bekommt, ist es schlimm. Aber wenn ein Christ Krebs bekommt, ist die Not aufs Höchste gestiegen.“
Und er meint damit: Ein Mensch, der glaubt, der hat es nicht nur mit krankhaft wuchernden Körperzellen zu tun. Sondern er hat es damit zu tun, dass er das mit Gott verbinden muss, mit seiner Güte und Liebe.
Das ist die große Herausforderung, dass hinter Angst und Verzweiflung, hinter beruflicher Überforderung und privatem Kummer das Angesicht Gottes dunkel werden kann. Dass wir ihn nicht mehr verstehen. Dass wir uns auch von ihm im Stich gelassen fühlen.

Elia jedenfalls sieht nur noch die Drohung Isebels. Gott sieht er nicht mehr. Und das bringt ihn an den äußersten Rand: Einschlafen und nicht mehr aufwachen will Elia, sonst nichts mehr.
Aber dann geschieht etwas Unerwartetes. Bisher hat allein Elia gesprochen. Jetzt aber meldet sich Gott zu Wort. Und es wird deutlich: „Je tiefer einer ist, desto besser sieht ihn Gott“, wie Martin Luther einmal geschrieben hat.
Ein Bote Gottes berührt Elia und sagt: „Steh auf und iss!“ Und dann ist Brot da, ein Krug mit Wasser. Essen und Trinken, Zeichen des Lebens. Die Wüste der Verzweiflung hat nicht das letzte Wort. Elia erlebt Gott als die Kraft, die beginnt, ihm Leib und Seele wieder zu stärken. Als den Schöpfer, der weiß, was sein Geschöpf braucht.
Ein Bote Gottes, ein Mensch Gottes – wie gut kann der einem tun, liebe Gemeinde! Jemand, der sagt: „Komm, wir laden dich zum Essen oder zu einem Spaziergang ein.“ Oder: „Dich bedrückt doch etwas. Wenn du erzählen magst, nehme ich mir Zeit für dich.“
Vielleicht haben wir auch schon einmal auf die Klagen eines anderen keinen Rat gewusst und dennoch entdeckt, wie viel es hilft, ihn bloß in den Arm zu nehmen und ihm die Hand zu halten. Wie viel es hilft, ihm zugewandt zu bleiben und sich auch in der Not dafür zu interessieren, wie es ihm geht. Wie viel es hilft, mit einem Menschen und für ihn zu beten.

Noch einmal legt sich Elia schlafen. Er bekommt die Ruhe, die er braucht. Das teuflische Karussell seiner Gedanken wird nicht weiter im Kreis herumgejagt. Er wird in seiner Verzweiflung nicht noch bestätigt. Aber sie wird auch nicht kleingeredet. Kein Appell: „Kopf hoch und die Zähne zusammenbeißen!“ Kein: „Reiß dich doch zusammen!“
Vielleicht kommt manche Depression und innere Müdigkeit unter uns auch daher, dass wir uns einfach nicht genügend Ruhe gönnen. Dass wir uns von der Hektik des Lebens treiben lassen und die Oasen der Stille und Besinnung in unserem Leben immer kleiner werden.

Der Prophet macht in seiner Not eine ganz einfache Erfahrung der wirklichen Liebe und elementaren Zuwendung seines Schöpfers. So eine einfache Erfahrung tröstet und öffnet das Herz, wenn man Gottes Liebe darin erkennen kann. Und nun erst bekommt Elia eine neue Zielangabe: „Steh auf und iss, denn du hast einen weiten Weg vor dir.“
Er, Elia, der gemeint hat, keinen halben Schritt mehr gehen zu können, er soll noch einen weiten Weg vor sich haben? Zukunft, ein Ziel, einen Sinn? Jedenfalls ist da ein Plan irgendwo, den er nur noch nicht kennt und ermessen kann. Gott jedenfalls will nicht sein Ende. Gott hat einen Weg für ihn. Und so geht Elia, von Gott gezogen, auf Gott zu.
Elia geht nicht einfach irgendwohin. Er geht dorthin, wo Gott zu hören und zu finden ist. Für ihn ist es der Gottesberg. Der alte Berg der Offenbarung Gottes. Hier hatte Gott einst Mose gerufen. Hier hatte er dem Volk Israel seinen Willen offenbart und seinen Bund mit ihm geschlossen: Der Horeb, Ort der Begegnung mit Gott, Stätte der Erinnerung an Gottes große Taten!
Der Gang zum Horeb, das heißt also: Elia braucht noch mehr als Brot und Wasser. Er braucht noch mehr als Ruhe und Erholung. Brot und Wasser sind nur eine Zwischenstation auf seinem Weg, die eigentliche Vergewisserung für sein Leben zu empfangen, die ihm mehr als alles andere neuen Mut zum Leben geben kann.
Es geht darum, dass Gott selbst ihm begegnen will. Dass Gott Elia zusprechen kann: „Ich bin doch immer noch derselbe wie bei Mose und deinen Vätern. Und ich bin auch dein Gott. Schau nicht auf deine Enttäuschung. Schau auf mich. Du musst nicht alles alleine schaffen, du kannst es auch gar nicht. Ich, dein Gott, ich bin mit dir.“ Darum geht es am Horeb.

Und so steht Elia in einer Höhle am Berg und wartet auf Gott: Wird Gott sein wie der Sturm, der an der Bergwand rüttelt, dass die Felsbrocken fliegen? Wird Gott sein wie das Feuer, wie die Blitze, die über dem Berg zucken?
Aber in all dem spürt Elia nichts von Gott. Bis es plötzlich ganz still wird. Kein Brausen, kein Getöse mehr. Nur knisterndes Schweigen. Stille, in der alles von ihm abzufallen beginnt: seine Erregtheit, sein Eifern und auch seine Enttäuschung. Stille, in der seine aufgewühlte Seele endlich zur Ruhe kommt.
Elia lauscht in diese Stille. Und er spürt: „Jetzt ist Gott mir nahe. Jetzt geht er an meiner Seele vorüber.“ Elia verhüllt sein Gesicht mit dem Mantel: „Wer bin ich, dass Gott mir so nahe kommt? Ich, der ich in eigener Kraft für ihn kämpfen wollte, gewaltsam und wankelmütig zugleich?“
Die Stille zieht Elia an. Er geht heraus und tritt in den Eingang der Höhle. Er setzt sich der Stille aus, in der Gott ihm begegnet. Diese Stille rührt seine Seele an. Elia ist am Ziel seiner Reise.
Indem Elia zum Horeb wandert, tut er das Gleiche, was wir heute tun, wenn wir unsere Bibel aufschlagen und hineingenommen werden in Gottes Handeln mit den Menschen – ganz egal, ob wir das allein, im Gottesdienst oder vielleicht in einem Hauskreis tun.

Es geht darum, den Ort aufzusuchen, an dem Gott in der Stille zu uns reden kann. Dass wir merken: „Ich bin nicht allein. Gott ist da. In seiner Nähe kommt mein Leben wieder ins Lot. In seiner Nähe finde ich neuen Mut.“
Elia erlebt am Horeb dasselbe, was wir erleben, wenn wir einen Bibelvers hören wie diesen von Jesaja: „Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.“
Es gibt ja unendlich viele verschiedene Wege, wie Gott uns begegnen und zu uns sprechen will, sodass wir merken: Jetzt bin ich gemeint. Jetzt schenkt Gott mir seine Nähe. Ermutigt mich. Korrigiert mich auch. Öffnet mir durch Vergebung den Raum, neu anzufangen. Dass ich aufhören kann, alles in eigener Kraft schaffen zu müssen. Dass ich in der Stille von ihm lerne, mein Leben so einzurichten, dass ich mich und andere nicht dauernd überfordere.
Vielleicht hören wir Gottes Reden auch in diesem Gottesdienst. Dass wir Sehnsucht bekommen: „Gott könnte mit mir auch so handeln wie mit Elia.“ Und Vertrauen: „Bei dir, mein Gott, falle ich nicht ins Bodenlose. Und wenn ich mit meiner Kraft noch so sehr am Ende bin.“

Eine letzte Beobachtung: Es ist auffallend, wie realistisch die Erzählung von Elia in der Bibel weitergeht. Ja, er hat Gottes Nähe neu und intensiv erlebt. Gottes Gnade, die ihn herausgeholt hat aus seinem Tief.
Aber jetzt ist es Zeit für ihn, Schritt für Schritt sein Leben wieder anzunehmen. „Geh deinen Weg zurück, den du gekommen bist“, heißt es im Anschluss an unseren Predigttext.
Denselben – und doch einen ganz anderen Weg. Nicht, dass sich die Situation geändert hätte. Sondern Elias Blick auf die Situation ist verändert worden. „Ich bin allein übriggeblieben“, hatte er am Horeb noch einmal Gott geklagt.
Aber diese Sicht, die Elia so runtergezogen hat, dieses tödliche „Ich bin ganz allein“, das wird korrigiert. In seiner Angst hat er sie einfach nicht mehr gesehen, all die anderen. Von 7000 Menschen ist die Rede im Fortgang unserer Geschichte, die auch auf seiner Seite stehen.
Damit sind wir wieder am Anfang:

  • Wir bekommen eine neue, eine andere Sicht, an unseren Beruf und unsere sonstigen Aufgaben heranzugehen. Oder wir bekommen neue Wege eröffnet, wenn uns unser bisheriger Weg wirklich nicht weiterführt.
  • Wir erfahren die Gewissheit des Angenommenseins bei Gott, die uns unabhängiger werden lässt von den Erwartungen der anderen Menschen, denen wir vielleicht bisher genügen wollten.
  • Wir machen Erfahrungen der tröstenden Nähe Gottes mitten in unseren Schwierigkeiten. Er rührt uns an durch sein Wort, durch Begegnungen, die er uns schenkt, durch das Gefühl von Nähe und Geborgenheit, das wir erfahren dürfen.

Das ist es, was Gott uns schenkt in der Stille vor ihm. Uns genauso wie Elia. Auch das ist Nachfolge.
Danken wir Gott, dass er uns nicht allein lässt, wenn wir am Ende sind, und dass er einen Weg für uns hat, wo wir noch keinen sehen.
Bitten wir ihn, dass er uns aus dem Lärm unseres Lebens in die Stille vor ihm führt, dass wir leben können, jetzt und in Ewigkeit. Amen.

GEMEINDELIED EG 365, 1-4: Von Gott will ich nicht lassen

FÜRBITTENGEBET
Barmherziger Gott, in deinem Sohn Jesus Christus bist du zu den Menschen gekommen und bist mit ihnen viele Wege gegangen – Wege der Freude und Wege des Leides. Nichts, was uns Menschen bewegt, ist dir fremd. Du willst unser Leben mit uns teilen und rufst uns in deine Nachfolge. Vor dich bringen wir unsere Bitten:
Wir bitten dich: Nimm uns mit auf deinen Weg, dass wir auf seelische und körperliche Gewalt gegen andere verzichten, sondern dass wir stattdessen Liebe lernen und Frieden finden.
Nimm uns mit auf deinen Weg, dass wir lernen, achtsam und einfühlsam zu sein, einander zu respektieren und zu beschützen.
Nimm uns mit auf deinen Weg, dass wir ehrlich und verantwortungsvoll unsere Arbeit tun, dass wir uns fernhalten von unsauberen Geschäften und für Gerechtigkeit eintreten.
Nimm uns mit auf deinen Weg, dass unsere Herzen frei werden, nicht gefangen durch das Streben nach Einfluss und Macht, und dass unsere Sinne klar bleiben, nicht verblendet durch Geld und Besitz.
Nimm uns mit auf deinen Weg, dass dein Wort in unseren Worten widerklingt und nicht leeres oder böses Geschwätz, dass unser Reden hilfreich und befreiend ist, dankbar gestimmt und voller Hoffnung.
Nimm uns mit auf deinen Weg, als Gottes geliebte Kinder, dass wir verwandelt werden aus Finsternis zum Licht.
Und führe uns und die ganze Welt auf den Weg des Friedens, dass Krieg und Leid, Not und Verzweiflung enden und die Menschen befreit leben können.

GEBET DES HERRN
Vater unser im Himmel. Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

FRIEDENSGRUSS
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

GEMEINDELIED EG 606, 1-3: Die Sach ist dein, Herr Jesu Christ

WOCHENSPRUCH Lk 9, 62
Wer die Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.

SEGEN
Gehet hin im Frieden des Herrn:
Der Herr segne euch und behüte euch!
Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig!
Der Herr erhebe sein Angesicht über euch und gebe euch Frieden!
>  Amen. Amen. Amen.

MUSIK ZUM AUSGANG