Judika

Den Gottesdienst hält Prädikant R. Illg. / Predigttext: Markus 10, 35-45

Liebe Gemeinde,
kennen wir das nicht auch, diesen Rangstreit: im Bus immer am Fenster sitzen oder ganz vorne beim Fahrer, im Job immer gut angesehen zu sein. Diese Rangsteitigkeiten sind so alt, wie die Menschen selbst. Hier in unserem Predigttext sind es zwei Jünger von Jesus, die im Himmelreich die besten Plätze beanspruchen. Doch schon bevor sie ihre Bitte aussprechen, möchten sie von Jesus die Zusage der Gewährung. Sie wollen Jesus schon im Voraus festlegen. Jesus lässt sich trotzdem auf das Gespräch mit den Beiden ein. Was ist nun ihr Wunsch? In seiner Herrlichkeit zu seiner Rechten und Linken sitzen zu dürfen. Sie wollen damit Mitregenten und Ratgeber des großen Königs sein. D.h. aber auch, dass sie ein ungeheures Vertrauen in Jesus haben, denn sie bringen damit zu Ausdruck „Wenn du als messianische König triumphieren wirst“. Das heißt aber auch, dass sie in Zukunft groß rauskommen wollen. Und das ist, was seit Anfang der Schöpfung in allen Menschen steckt. Schon in 1. Mose 3,5 sagt die Schlange zu Eva: …“ihr werdet sein wie Gott“. Dieses „Groß sein wollen“ steckt das nicht auch ein wenig in jedem von uns drin? Etwas gelten wollen in der Kirchengemeinde, oder auch in einem Verein?
Und dann macht Jesus diesen beiden Jüngern deutlich, was es heißt, ganz nah bei ihm zu sein. Er fragt sie ganz direkt: Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke oder mit der Taufe getauft werden mit der ich getauft werde? Mit dem Kelch, dem Zornesbecher Gottes, mein Jesus sein Leiden und Sterben am Kreuz. Mit der Taufe verhält es sich genau so. Vielleicht denkt Jesus hier an die Stellen aus dem AT, wie 2. Sam. 22,5 oder Jona 2,4ff, an ein Untergehen in den Wasserfluten. Er fragt seine beiden Jünger direkt: „Könnt ihr das auch, wollt ihr das auf euch nehmen? Diese Frage stellt sich auch uns: Wollen wir leiden und sterben, das eigene Leben preisgeben, wenn wir mit ihm groß sein wollen?
Johannes und Jakobus sind von sich überzeugt und sagen „Ja“, das können wir. Jesus nimmt sie allerdings beim Wort und prophezeit ihnen, dass sie wohl den Kelch trinken werden, den er trinken wird und getauft werden mit der Taufe auch er getauft wird. D.h. sie werden beide auch ihr Kreuz zu tragen haben. Von Jakobus wissen wir, dass er schon früh den Märtyrertod sterben musste. Und auch Johannes kam ins Gefängnis und wurde später auch die Insel Patmos verbannt, wo er das Buch der Offenbarung schrieb.
Nun kommt das göttliche „Aber“ mit dem er ihnen sagt, dass das Sitzen zu seiner Rechten oder zu meiner Linken zu vergeben, ihm nicht zusteht, sondern es wird denen zuteil, für die es bestimmt ist. Es gibt also Dinge, für die Jesus nicht ständig ist, oder nicht in seinen Aufgabenbereich fallen. Dazu gehört u.a. das Datum seiner Wiederkunft und des Gerichts. Dies bleibt alles seinem Vater vorbehalten. Die anderen zehn Jünger sind natürlich darüber verärgert, weil auch sie vielleicht auf die Ehrenplätze spekulieren. Wer ist der Größte? Wer das ist, sagt uns Jesus:
Größe zeigt sich im Dienen
Jesus holt deshalb seine Jünger zu sich. Es ist so eine Art Privat-Unterricht in der Jesus-Schule. Er sagt ihnen, wie es normalerweise in der Welt zugeht. Diejenigen, die als Herrscher gelten wollen, beherrschen ihre Untergebenen. Das geschieht häufig durch Druck, Drangsal, Niederzwingen, Gewaltherrschaft u. ä. Das geschieht eben nicht nur in diktatorischen Ländern, sondern bis hinein in unsere „Marktwirtschaft“, wo große Betriebe kleine übernehmen, natürlich nur aus Rentabilitätsgründen.
Dem setzt Jesus einen klaren Kontrast gegenüber: „So soll es unter euch nicht sein“. Wie aber soll es in der Gemeinde sein? Die Gemeinde muss sich und wird sich von der Welt unterscheiden. Wer groß sein will unter euch, der soll euer aller Diener sein. Jesus sagt damit nicht, dass jemand groß sein darf. Groß sein an sich ist also nicht schlecht. Auch in der Gemeinde sind Menschen wichtig, die vorneweg gehen, die andere anleiten, wo es langgehen soll, aber immer hinter Jesus her. Es geht darum andern zu helfen, die Not des anderen sehen und anpacken, darauf kommt es an. Wo jemand ein körperliches Gebrechen hat, oder wo jemand in seiner Seele leidet, wo eine geistliche Not ist, da dem Mitmenschen dienen.
So ist es gut, was in der Kirchengemeinde zu sehen ist. Hilfsbereitschaft andern gegenüber ist zu erkennen. Da macht z.B. eine Frau den Blumenschmuck für die Kirche, und den Altar. Oder jemand ist im Besuchsdienstteam für Kranke und Alte. Oder verbringt Zeit bei einem Sterbenden. In solchen Diensten zeigt sich die wahre Größe eines Christen.
Damit wir es nicht vergessen, sagt Jesus ein weiteres: „und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein“. Es gibt sie also wirklich: Erste in der Gemeinde (Pfarrer, Älteste) Aber ein „Erster“ zu sein, heißt eben, aller „Knecht“ zu sein, der Schuhabstreifer für alle, der alle andern Stützende, der sie Ertragende, der sanftmütig Bleibende, der Dienende. Die Apostel haben später diese Linie bestätigt, so heißt es z.B. in 1. Kor. 9,19: dort sagt es Paulus so: „Denn obwohl ich frei bin von jedermann, habe ich doch mich selbst jedermann zum Knecht gemacht, damit ich möglichst viele gewinne“. Und das gilt auch heute, deshalb gerade solche, die in der Gemeinde Leitungsverantwortung haben, sollen hier genau hinhören. Für Kirchengemeinderäte und Pfarrer, die laut unserer Kirchenordnung gemeinsam Gemeinde leiten, bedeutet dies: Knecht von allen zu sein. Das gilt es bei allen Entscheidungen, im Reden und Handeln immer wieder zu buchstabieren.
Das ist Größe, nicht vor Menschen, sondern vor Gott. Darum hat auch der Vater im Himmel sich selbst vorbehalten, die Ehrenplätze im Himmel zu vergeben.

Liebe Gemeinde,
einen ganz wichtigen Grundsatz sagt Jesus zum Schluss unseres Predigttextes: „Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, dass der sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben als Lösegeld für viele“. Das ist eine der wichtigsten Aussagen, die Jesus über seine Tätigkeit macht. An ihr können wir ablesen, wie er sich selbst einschätzte. Zunächst ist deutlich, dass er nicht als Herrscher, sondern als Diener kam. Herrscher wird er erst nach seiner Auferstehung am Ostermorgen, wobei seine Herrschaft erst bei seiner Wiederkunft für alle Menschen sichtbar wird. Aber was ist nun sein Dienst? Dass er sein Leben als Lösegeld gibt! In wenigen Tagen geht er ja mit seinen Jüngern hinauf nach Jerusalem und dort können wir sehen, wie er , der Gottesknecht, „sein Leben zum Schuldopfer“ gibt, „den vielen Gerechtigkeit“ schafft, indem er die Sünde trägt. Sein Auftrag ist es, die Sünden der Menschen auch sich zu nehmen und wegzuschaffen. Ich denke, da dürfen auch wir unser „Päckchen“ dazulegen. Und gleichzeitig ist er das Schuldopfer, das die Schuld der Menschen vor Gott wiedergutmachen soll. Hier in Markus 10, 45 kommen nicht nur zwei messianische Linien zusammen, nämlich die des Gottesknechts aus Jes. 53 und die des Menschensohns aus Dan. 7, sondern auch die Linien alt. Opfergesetzgebung (Schuldopfer) und des Großen Versöhnungstages (Süden tragen und wegschaffen)

Liebe Gemeinde,
jetzt können wir Bilanz aus V. 45 ziehen: Jesus ist also der „Menschensohn“ aus Daniel 7 und der „Gottesknecht“ aus Jes. 53, er opfert sein unschuldiges Leben, um unsere Schuld vor Gott wiedergutzumachen, er ist der Sündenbock der Weltgeschichte, der die Menschenschuld auf sich nimmt und wegträgt, er gibt den Mächten wie Tod und Teufel sein Leben als „Lösegeld“ um uns freizukaufen, und er tut dies stellvertretend für uns. Das ist eine ganze Christologie (Lehre vom Christus), die Jesus in diesen wenigen Worten zusammenfasst.
Zum Schluss heißt es: er gibt sein Leben als Lösegeld für viele, warum nicht für alle? Weil dieses Lösegeld nur für die bezahlt wird, die es auch annehmen, d.h. die an Jesus Christus glauben. Zwar hat er sein Leben für alle Menschen dahingegeben. Aber er rettet nur diejenigen, die diese Rettung auch annehmen. Amen.

Und der Friede des allmächtigen Gottes, der viel höher ist als all unsere menschliche Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem auferstandenen und lebendigen Herrn.